Der Einkauf neuer Software und die Ablösung bestehender Legacy-Systeme stellen Unternehmen oft vor große Herausforderungen. Der Change wird nicht selten von Beratern begleitet. Bluplanet versucht, diese Routine aufzubrechen. Allerdings müssen die Marketer ihre Hausaufgaben machen.
Wir setzen ab sofort Salesforce ein. Wir stellen jetzt um auf Hubspot. Nächste Woche findet die Schulung zum neuen CRM-System Microsoft Dynamics statt.
Sätze wie diese, lassen vor allem die Menschen, die im operativen Marketing arbeiten, erschauern. Wieder hat sich der Chef-Einkäufer des Unternehmens oder der Geschäftsführer auf einer Konferenz in ein neues Tool verliebt. Wieder einmal müssen Prozesse angepasst, effiziente Routinen überarbeitet werden. Und wieder einmal kann man sich darauf einstellen, dass es Monate vielleicht sogar Jahre dauert, bis man nur den heutigen Produktivitätsstand im Arbeiten wieder erreicht. Nicht selten wechseln Unternehmen schon zum nächsten Tool, bevor sie das bestehende überhaupt ausgereizt haben.
Eine Software, auf die das besonders zutrifft, ist Salesforce. Noch immer wird das System als CRM-Programm verstanden und noch immer gibt es Firmen, die machen gerade mal ihr E-Mail-Marketing über dieses leistungsfähige Tool. Dabei ist es ja gar kein Tool. Durch die Öffnung für Drittentwickler und durch eigene Weiterentwicklung, hat sich Salesforce zu einer umfassenden Marketing Cloud entwickelt, mit der fast alles geht im Marketing.
Und genau diese Angebotsfülle und Komplexität ist eine der größten Herausforderungen beim Vertrieb von MarTech-Software. Wo fängt man an? Welche internen Streitgespräche ist man bereit aufzunehmen? Und wie viel Schulungsaufwand löst die Bestellung aus?
Das Unternehmen Bluplanet, gegründet von zwei ehemaligen Salesforce-Spezialisten und einem erfahrenen Agenturmanager, hat da eine andere Idee.
Herr Roskowetz, was war der Impuls, der zur Gründung von Bluplanet geführt hat?
Meine beiden Mitgründer sind ehemalige Salesforce-Mitarbeiter und ich habe jahrelang auf Agenturseite gearbeitet. Wir haben zwei Dinge festgestellt: Zum Einen unterliegt der Einkauf von Software in Deutschland ganz besonderen Bedingungen. Zum Anderen ist Salesforce als Produkt so komplex, dass es wirklich nicht einfach ist, das zu verstehen. Der Einkaufsprozess war sehr aufwändig und wir dachten: Das geht auch einfacher.
Was sind die Besonderheiten in Deutschland?
Deutsche Marketer kaufen gerne bei deutschen Unternehmen oder zumindest bei solchen, die in Deutschland ihren Sitz haben. Das hat offensichtlich mit Themen wie Produktqualität und Datenschutz zu tun, das hat aber eben auch damit zu tun, dass man während der Implementierung der neuen Software Schulung braucht oder Unterstützung in der alltäglichen Nutzung.
Wir sind eines von vier Unternehmen in Deutschland, die Salesforce verkaufen dürfen. Der Markt wandelt sich gerade vom Direktverkauf zu einem indirekten Markt.
Woher kommt der Name?
Blau ist die Logofarbe von Salesforce und mit Planet wollten wir zum Ausdruck bringen, dass es um den umfassenden Ansatz geht. Das gilt nicht nur für die Software selbst, die ja längst viel mehr ist, als ein CRM-System. Das gilt auch für unseren Ansatz.
Was ist der Pitch, mit dem sie antreten?
Unser Konzept basiert auf vier Säulen. Die erste und wichtigste ist, dass wir glauben, dass der Einkauf von Software einfacher werden kann. Es gibt unterschiedliche Kundengruppen, die verschiedene Anforderungen haben. Das bedeutet aber eben nicht, dass man für jeden einzelnen Kunden das Rad neu erfinden muss. Wir wollen die für ein Unternehmen relevanten Produkte bündeln und auf eine einfache Art und Weise verständlich machen und verkaufen.
Implementierung machen wir nicht selbst. Dafür haben wir gute Kontakte zu Implementieren unterschiedlicher Größenordnungen.
Die dritte Säule ist, dass wir für Unternehmen die Lizenzen und Verträge managen.
Und viertens arbeiten wir mit Interessensverbänden zusammen. Das kann die DATEV sein, der Bundesverband Startups aber auch ein Kapitalgeber, der verschiedene Startups in seinem Portfolio hat.
Worin besteht die Vereinfachung, jenseits der Bündelung typischer Softwarepakete?
Ein wichtiger Aspekt ist, dass wir für die Unternehmen ein einzelner Ansprechpartner für alles sind. In der Vergangenheit mussten die Marken sich mit vielen unterschiedlichen Personen bei den jeweiligen Software-Anbietern auseinandersetzen.
Aber reicht das, um eine erfolgreiche Self Service Lösung zu etablieren?
Für bestimmte Zielgruppen reicht das. Unternehmen aus der StartUp- vor allem aber auch aus der ScaleUp-Szene wissen genau, was sie brauchen. Die wollen das Produkt schnell haben und kaufen.
Aber es stimmt natürlich: Es gibt viele Unternehmen in Deutschland, die jetzt gerade verstärkt digitalisieren. Da gehen wir persönlich rein und beraten.
Wie promotet man ein solches Angebot?
Hier spielen tatsächlich die Verbände und größere Kooperationspartner eine wichtige Rolle. In Österreich sind wir einen unkonventionellen Weg gegangen. Wir sponsern den SK Rapid Wien. Dahinter steckt einer der größten Business-Clubs in Österreich und das ist für uns ein toller Einstieg in den Markt. Er macht die Marke Bluplanet bekannter.
Ich war ja lange auf Agenturseite. Aber ich konnte mich nie dafür begeistern, einen TV-Spot nach dem anderen zu schalten. Ich habe immer geschaut nach Dingen, die anders sind und die dadurch auffallen.
Warum sollten Unternehmen, die schon wissen, was sie brauchen, bei Bluplanet einkaufen?
Da gibt es verschiedene Faktoren. Unternehmen wollen regionale Ansprechpartner, das sagte ich bereits. Unternehmen wollen alles aus einer Hand haben, das macht es im Handling einfacher.
Wie verdient Bluplanet Geld?
Nur durch die Provision für den Verkauf. Für den Beratungsteil oder das Management der Verträge fakturieren wir nichts. Das ist unsere Serviceleistung. Unsere Vision ist, dass wir irgendwann einmal ein übergreifendes Self Service Portal aufgebaut haben: Check24 für Software.
Was motiviert Ihr Unternehmen, Kunden auch nach dem Kauf intensiv zu betreuen?
Der Kunde kommt nur dann wieder zu uns, wenn er mit der ersten Erfahrung, die er gemacht hat, zufrieden war. Der Customer Lifetime Value ist für uns die wichtigste Zielgröße.
Wie glaubwürdig ist Bluplanet, Hubspot oder Microsoft zu verkaufen, wenn doch Salesforce so stark hinter dem Gründungskonzept steht?
Gar nicht und das tun wir auch nicht. Wir verkaufen nur Produkte aus dem Salesforce-Ökosystem. Das sind inzwischen über 4000 Anwendungen und die verkauft Salesforce nicht selbst. Und genau da sehen wir das Potential.
Weiß der Markt das oder wird Salesforce nach wie vor als CRM-Programm gesehen?
Das ist ein spannender Aspekt. In Deutschland ist das keineswegs flächendeckend bekannt. Wir selbst als Unternehmen wickeln fast unsere komplette betriebliche Organisation über Salesforce ab, inklusive Buchhaltung.
Wie ist aktuell die Investitionslage in Deutschland?
Es gibt zwei Lager. Die einen halten sich im Moment zurück, weil sie zum Beispiel die Konsumstimmung nicht einschätzen können. Für andere Unternehmen ist genau jetzt die Zeit zu investieren. Das hat mit der beschleunigten Digitalisierung durch Corona zu tun und natürlich mit Remote Work. Viele Unternehmen wollen ihre Arbeitsmodelle flexibilisieren und merken, dass sie dafür auch in Software investieren müssen.
Ich weiß nicht, ob man das so hart sagen kann, aber ich finde man kann gerade erkennen, wo Unternehmer das Sagen haben und wo Manager. Die Manager sind darauf bedacht, jetzt im Moment keine Fehler zu machen. Die Unternehmer erkennen, dass jetzt die Zeit ist, nach vorne zu gehen und zu investieren.
Wenn Neukunden kommen, was ist deren Schmerz?
Im Moment ist die Hauptmotivation vor allem die Tatsache, dass wir das aus einer Hand anbieten. Die Kunden, die zu uns kommen, sind schon im Ökosystem. Die wollen ihre Prozesse vereinfachen.
Wo setzen Unternehmen, die neu investieren, Salesforce zuerst ein?
Das ist meistens Vertrieb und Marketing. Vertrieb ist ja dann auch nahe an Service. Gerade Mittelständler aus dem produzierenden Gewerbe haben zum Beispiel einen Außendienst. Und diese Prozesse sollen digitalisiert werden. E-Commerce passiert dagegen eher auf Enterprise-Ebene.
Gibt es, auch angesichts der DSGVO, zurzeit Vorbehalte gegen den Einsatz von US-Software?
Die gibt es und die halten sich hartnäckig, obwohl alle großen US-Softwareanbieter versuchen, dem Rechnung zu tragen. Salesforce hat zwei Datencenter in Europa. Die Daten bleiben hier. Um die Vorurteile zu entkräften, muss man mit den Unternehmen sprechen. Und es scheint, als hören gerade die Mittelständler lieber einem deutschen Unternehmen wie Bluplanet zu als dem Hersteller selbst. Das hat auch was mit Sprache zu tun.
Was ist das Argument, das den kritischen deutschen Mittelstand überzeugt?
Es geht nicht um Features oder den Preis. Man muss den Unternehmen klar zeigen können, wo ihr ganz individueller Nutzen liegt. Wenn man zeigen kann, dass man ein ähnliches Problem bereits für ein anderes Unternehmen gelöst hat, dann ist das ein starkes Argument.
Es braucht aber eben auch ein Bewusstsein dafür, dass Software wie Salesforce eben nicht vor Abteilungsgrenzen halt macht. Viele Unternehmen denken noch stark in Abteilungen und jede Abteilung hat ihre eigene Software. So wird man es schwer haben, eine komplexe Suite wie Salesforce erfolgreich zu installieren.
Bei einem Produkt wie Salesforce, aber auch bei anderen datenbasierten Lösungen ist es ja keine Software, die man einfach kauft und dann einsetzt. Es ist eher ein dauerhafter Prozess. Klassisch Top Down wird das nicht funktionieren. Man muss anders auf die Firmen zugehen.
Wo muss der deutsche Mittelstand umdenken, wenn es um Software geht?
Es geht um Offenheit. Man muss anfangen sich auf etwas einzulassen, auch wenn es weh tut. Wir suchen noch zu oft nach der einen, deutschen Lösung. Wir in Deutschland sind nur ein kleiner Teil dieses Universums. Auch in Bezug auf Software.
Interview: Frank Puscher
erschienen in MEEDIA am 08.11.22